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RORSCHACH-TEST

 PSYNDEX Tests-Dokument: 9001414
 

RO-T - RORSCHACH-TEST (PSYNDEX Tests Review)

 

Rorschach Test/zpid
Synonym(e): Rorschach-Formdeuteversuch; Rorschach'scher Formdeutversuch; Rorschachtest; Tintenkleckstest

 Rorschach, H.
 (1949). Psychodiagnostik. Methodik und Ergebnisse eines wahrnehmungsdiagnostischen Experiments (4. Auflage) [Textband, Tafelserie in Mappe mit 10 Bildkarten, Schemablock mit 100 Blättern; zusätzlich erhältlich: Testauswertungsprogramm]. Bern: Huber.

Bibliotheksstandort: Testsammlung Psychologie Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek: PT 33 (Psychodiagnostik; H. Rorschach, 1972); PT 155 (Primer on the Rorschach Technique; E.E. Levitt, 1980)

 Bezugsquelle: Testzentrale, Herbert-Quandt-Straße 4, D-37081 Göttingen; E-Mail: info@testzentrale.de; URL: https://www.testzentrale.de/; Stand: 1.11.2024; Hogrefe Publishing, Merkelstrasse 3, D-37085 Göttingen; E-Mail: publishing@hogrefe.com; URL: http://www.hogrefe.com/; Stand: 1.5.2013.
Anmerkung: Das "Lehrbuch der Rorschach-Psychodiagnostik" von E. Bohm erschien 1996 in einer siebenten, unveränderten Auflage, die Rorschach-Psychodiagnostik ist seit 1992 in einer 11. Auflage verfügbar.

 
WWW-Informationen:
 

Testkonzept

 

Theoretischer Hintergrund

RORSCHACH konzipierte das Verfahren urspruenglich als experimentelle Methodik zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Intelligenz und Phantasie. Im Sinne eines wahrnehmungsdiagnostischen Experiments nahm er an, dass bei der Deutung der Bildtafeln eine assoziative Angleichung vorhandener Engramme (Erinnerungsbilder) an rezente Empfindungskomplexe stattfinde. Die Vorgabe des relativ unstrukturierten und mehrdeutigen, jedoch standardisierten Reizmaterials soll nach diesem Konzept die Erhebung persoenlichkeitsrepraesentativer Verhaltensdaten ermoeglichen, wobei die Zuweisung klinischer oder charakterologischer Befunde zu bestimmten Bilddeutungen oder Deutungstendenzen nach pragmatisch-empirischen Gesichtspunkten erfolgte (wie schon Rorschach 1921 in der Einleitung zu seiner "Psychodiagnostik" hervorhebt).
Ebenso wie die Konzeption verbreiteter Auswertungs- und Interpretationsschemata zur Rorschach-Methodik weitgehend unter Ausschluss wissenschaftstheoretischer Methodik erfolgte steht auch heute eine stringente und umfassende Theorie zum methodisch-psychologischen Wirkungsgefuege des Verfahrens noch aus.
Empirische Untersuchungen konnten belegen, dass neben der angestrebten Interaktion Proband-Bildtafeln verschiedene andere Variablen (wie z.B. Testleitereinfluesse und situative Momente) Qualitaet und Quantitaet der Deutungsinhalte durchaus gravierend mitbeeinflussen koennen.
Daneben erscheint generell der Rueckschluss von isolierten Verhaltensmerkmalen (hervorgegangen aus einer situativ komplexen und inhaltlich hochspezifizierten Anforderungssituation) auf individuelle Persoenlichkeitsmerkmale als bedenklich.
Im Falle des Rorschach-Tests bezieht sich die vielfaeltige und detailistische Interpretation der Bilddeutungen implizit auf Komponenten eines fiktiven komplexen Persoenlichkeitsmodells dessen interne Organisation oder hirarchische Gliederung jedoch in keiner Weise dargelegt oder gar problematisiert wird.
 

Testaufbau

Zur Testung sollte ein nuechterner und moeglichst stoerungsfreier Raum zur Verfuegung stehen, der nach Moeglichkeit mit Tageslicht beleuchtet ist. Nach einer generellen Instruktion ueber den Testablauf reicht der Tl dem Pb die 10 Bildtafeln in der vorgegebenen standardisierten Abfolge, wobei er zu jedem Bild die Frage stellt: "Was koennte das sein?" Zoegert der Pb mit seinen Bilddeutungen, so darf ihn der Tl ermuntern, ohne jedoch suggestiv oder draengend zu wirken.
Die Bilddeutungen (inklusive Lokalisierung) und sonstige Aeusserungen des Pb werden woertlich protokolliert (bzw. mittels eines Tonbandgeraets aufgezeichnet) wobei auch Pausen vermerkt werden. Neben der Testdauer und den einzelnen "Reaktionszeiten" (Zeitraum von der Uebergabe eines Bildes bis zur ersten Antwort) werden im Protokoll auch Lageveraenderungen der Tafeln durch Drehen und auffaellige Reaktionen des Pb festgehalten. Bei komplexen Lokalisationen empfielt sich die Einzeichnung der Deutungen in einen Schemablock.
Verschiedene Autoren empfehlen zur Testdurchfuehrung eine Nachbefragung, in der saemtliche Deutungen mit dem Pb nochmals durchgesprochen werden und dieser zu weiteren Erlaeuterungen aufgefordert wird.
Zur Grundauswertung werden als erster Schritt verwertbare Deutungsaussagen einer formalen Auswertung (Signierung) zugefuehrt. Neben dem Signierungsschema von RORSCHACH (1921) haben verschiedene Schemata mit z.T. weit differenzierteren Klassifikationen allgemeine Verbreitung gefunden (BOHM 1957; LOOSLI-USTERI 1961; KLOPFER & KELLEY 1946; BECK 1950; KLOPFER & DAVIDSON 1967), wobei unterschiedliche Nomenklaturen, Schwerpunktsetzungen und unterschiedliche Differenziertheit die Vergleichbarkeit der Signierungssysteme erschweren.
RORSCHACH (1921) klassifizierte die Deutungen primaer nach vier Gesichtspunkten:
(1) Erfassungsmodus bzw. Lokalisation (z.B. Ganz- oder Detaildeutung);
(2) Determination (Form-, Bewegungs- und Farbantworten);
(3) Inhaltsaspekte (z.B. Menschen, Teile von Menschen oder Tierdeutungen);
(4) Originalitaet ("Vulgaerantworten" bzw. Original-Antworten).

Die Verrechnung der Signierungen erfolgt nach folgenden Quantifizierungen zu einem "Psychogramm":
Antwortenzahl, Sukzession der Erfassungsmodi, Erfassungstypus, Erlebnistypus, Verhaeltnis Vulgaerantworten-Originalantworten.
Zusaetzlich werden auffaellige Reaktionen, wie z.B. "Farbschock", Versagen oder Perseverationen untersucht und interpretiert.

Nach Abschluss der formalen Auswertung werden die inhaltlichen Merkmale der Deutungen auf der Grundlage tiefenpsychologischer Theorien interpretiert.

Insgesamt erhebt die Auswertungsmethodik den Anspruch, neben der Zuweisung spezifischer Erfassungs- und Erlebnistypen Intelligenz, Phantasie, Affektivitaet, Intuition sowie spezifische Talente und neurotische Faktoren des Pb zu erfassen und darueberhinaus eine pathologische Einstufung zu leisten.
 

Auswertungshilfen

Zur Auswertung ist die gruendlich Kenntnis einer der vielfaeltigen Signierungs- und Interpretationskonventionen vonnoeten. Sofern die angewandte Methodik keine quantitativen Vergleichs- oder Standardwerte beinhaltet, sollten solche (soweit vorhanden) aus einschlaegigen Publikationen entnommen werden.
 

Auswertungszeit

Keine Angaben.
 

Durchführung

 

Testformen

Das Verfahren wird als Einzeltest durchgefuehrt. Parallelformen i.e.S. liegen nicht vor, wenngleich der Behn-Rorschach-Test vielfach als Quasi-Parallel-Form verwendet wurde.
 

Altersbereiche

Der Ro-Test wurde bei Kindern ab 2 Jahren eingesetzt (AMES et al. 1952). Weitere Altersbegrenzungen sind nicht bekannt.
 

Durchführungszeit

Keine Angaben.
 

Material

Die Unterlagen sind vollstaendig zu beziehen. Daneben ist Schreibmaterial, eine Stoppuhr und gegebenenfalls ein Tonbandgeraet vonnoeten.
 

Instruktion

Die grundsaetzliche Pb-Anweisung ist woertlich festgelegt ("Was koennte das sein?"). Weitere verbale Anweisungen und Anregungen sind in den verschiedenen Ro-Standardwerken z.T. unterschiedlich geregelt.
 

Durchführungsvoraussetzungen

Das Verfahren fordert einen nicht unerheblichen Aufwand an Einarbeitung, Schulung und Erfahrungswissen.
 

Testkonstruktion

Bereits vor der Ausarbeitung des Rorschach-Tests wurde von verschiedenen Autoren der Einsatz von Klecksgebilden zur Untersuchung von Persoenlichkeitseigenschaften beschrieben (z.B. KERNER 1857; BINET & HENRI 1895; DEARBORN 1896; WHIPPLE 1910).
Rorschach (studentischer Spitzname "Klex") beschaeftigte sich erstmals 1911 mit Tintenklecksversuchen. Nach diesen eher sporadischen Versuchen verwandte er sein Hauptinteresse zunaechst auf psychoanalytische Studien um sich ab ca. 1915 der schweizerischen Sektenforschung zuzuwenden.
Ab ca. 1918 beschaeftigte er sich - angeregt durch eine einschlaegige Dissertation - erneut mit Tintenklecksversuchen im Rahmen systematischer klinischer Untersuchungen, die er in seiner Publikation "Psychodiagnostik" 1919 zusammenfasste.
Urspruenglich enthielt das Verfahren 15 Bildtafeln. Im Verlauf der Bemuehungen um einen Verleger wurde das Material auf 10 Tafeln reduziert.
Naehere Angaben zur konkreten Gestaltung der Methodik liegen nicht vor.
 

Gütekriterien

 

Objektivität

Bei Untersuchungen zur Durchfuehrungsobjektivitaet des Verfahrens konnte aufgezeigt werden, dass u.a. verschiedene Charakteristika des Tl Qualitaet und Quantitaet der Deutungen beeinflussten.
Neben dem Geschlecht des Tl (HARRIS & MASLING 1970; HERSEN 1970; MASLING 1960) konnte eine differentielle Wirksamkeit von Status- und Berufsmerkmalen der Tl (CAMPBELL & FIDDLEMAN 1959), von Persoenlichkeitszuegen und spezifischen Einstellungen der Tl (LORD 1950; SANDERS & CLEVELAND 1953) sowie von spezifischen Erwartungshaltungen der Tl (MARWIT & MARCIA 1967; MASLING 1965) nachgewiesen werden.

Zur Objektivitaet der Signierungen (bezueglich verschiedener Rater) liegen eine Vielzahl (vornehmlich angelsaechsischer) Studien vor, wobei die Werte je nach Signierungssystem und den untersuchten Signa erheblich variieren.
So ermittelten bspw. VOIGT & DANA (1964) bei 10 Beurteilern (nach der KLOPFERschen Signierungsmethode) und 200 Protokollen eine mittlere Uebereinstimmung bezueglich 150 Antworten von 69 %. Fuer dieselbe Methodik errechnete LISANSKY (1956) bei 40 Protokollen und 6 Beurteilern fuer 23 Signa eine mittlere Uebereinstimmung von phi 0,64.
BAUGHMAN (1959) konnte fuer die Farb- und Schattierungsdetermination (nach BECK) Uebereinstimmungen zwischen r = 0,90 und 0,97 bei zwei Beurteilern und 162 Protokollen nachweisen.
KOTTENHOFF (1965) berichtet fuer 5 Inhaltssigna eine Durchschnittsuebereinstimmung von 0,94 (C-Koeffizient) bei zwei Beurteilern und 50 Protokollen.
Zur Ueberpruefung der Intra-Rater-Objektivitaet liessen VOIGT & DANA (1964) 150 Antworten aus 200 Protokollen nach 2 Monaten wiederholt auswerten, wobei die durchschnittliche Uebereinstimmung bei 73 % lag (bei einer Bandbreite von 61 bis 81 %).
Bezueglich der Interpretationsobjektivitaet ermittelten MATTHAEI & LIENERT (1960) bei wiederholter Interpretation von 5 Signierungsprotokollen durch 10 Experten und 19 Studenten (Intervall: 1 Jahr) Rangkorrelationen von 0,89 (Intelligenz), 0,84 (Emotionalitaet) und 0,77 (soziale Anpassung) fuer die Expertenbeurteilungen (die Werte der studentischen Beurteilungen lagen nur geringfuegig niederer). Diese Werte interpretierten die Autoren als "obere Grenzwerte der Zuverlaessigkeit des Rorschach-Tests ueberhaupt".
 

Reliabilität

Untersuchungen zur Reliabilitaet des Rorschach-Tests stehen in verschiedener Hinsicht methodische und inhaltliche Besonderheiten des Verfahrens entgegen.
Zum einen liegt fuer das Bildmaterial keine abgesicherte Parallelform vor (abgesehen von der Quasi-Parallel-Serie des Behn-Rorschach-Tests, ZULLIGER 1952), zum anderen ist die Testhalbierungsmethode aufgrund der Spezifitaet der Einzelbilder nur fuer Grobschaetzungen geeignet. Die ermittelten Kennwerte zu letzterer Methodik ergaben in einschlaegigen Untersuchungen zu einzelnen Signierungen durchaus uneinheitliche und insgesamt eher unbefriedigende Kennwerte fuer die Einzelvariablen (z.B. STEIN 1961; ORANGE 1953; VERNON 1933).
Konsequente Rorschachianer verweisen zudem auf eine Inadaequatheit psychometrischer Reliabilitaetsschaetzungen, indem sie den methodisch-ganzheitlichen Charakter der Methodik (gegenueber der Zuverlaessigkeitspruefung von Einzelvariablen) hervorheben (z.B. ALLPORT 1949; FRANK 1949) oder auch (als relativierendes Argument gegenueber unguenstigen Retest-Befunden) eine Permanenz charakterlicher Veraenderungen (BOHM 1972) postulieren.
EICHLER (1951) ermittelte Retest-Reliabilitaetskoeffizienten unter Verwendung des BeRo, wobei er fuer 12 Variablen je nach Testreihenfolge (Rorschach-BeRo bzw. BeRo-Rorschach) durchschnittliche Retest-Korrelationen von r = 0,67 bzw. 0,57 ermittelte (Intervall: 3 Wochen). Die einfache Wiederholung des Rorschach-Tests erbrachte einen Wert von 0,70.
OTTE (1970) untersuchte die Retest-Reliabilitaet von 31 Variablen nach einem Intervall von 27 Monaten (N = 22). Die Koeffizienten variierten dabei von 0,74 (R) bis -0,05 (Summe C') bei einem Signifikanzminimum von r = 0,40 (5%-Niveau).
Fuer groessere Zeitintervalle (3, 6 und 8,5 Jahre) und verschiedene Altersstufen (10,5, 13,5, 16,5 und 25 Jahre) errechnete KAGAN (1960) bedeutsam niederere Retest-Korrelationen (gemittelte Phi-Koeffizienten zwischen 0,18 und 0,38), die zum Grossteil unterhalb des Signifikanzniveaus verblieben.
Bezueglich der Interpretationsreliabilitaet von Rorschach-Signierungen liegen ebenfalls eine Vielzahl einschlaegiger Studien vor, wobei die Feststellung der Intelligenz als reliabelste Variable gelten kann (z.B. MIELDS 1966; PALMER 1951). Im allgemeinen werden bei der Untersuchung differenzierter Persoenlichkeitszuege und klinisch-psychiatrischer Einstufungen kaum die Minimalwerte individualdiagnostischen Messniveaus erreicht bzw. weit unterschritten (LITTLE & SHNEIDMAN 1959; SILVERMAN 1959; KORNER & WESTWOOD 1955; GELFAND et al. 1954).
Diese tendenziell unguenstigen Befunde zu (Rorschach-intern) multivariaten Diagnosen stehen in gewissem Widerspruch zur Hervorhebung des komplexen (und vornehmlich qualitativ-beschreibenden) Charakters der Methodik durch verschiedene Rorschachisten.
Der Einwand von FISCHER & SPADA (1973), die Stichprobenabhaengigkeit von Reliabilitaetsschaetzungen auf dem Boden der klassischen Testtheorie erlaube keine verbindliche Beurteilung der Rorschach-Methodik ist als methodenkritisches Argument zu wuerdigen, jedoch ermoeglichen die von den beiden Autoren praeferierten probabilistischen Messmethoden derzeit keine praktische Verbesserung dieser Situation (abgesehen von Parameterschaetzungen fuer einzelne Probandengruppen und spezifische Rorschach-Variablen).
 

Validität

Bei der Beurteilung der Validitaet der Rorschach-Methode tritt im Prinzip zwischen Verfechtern und Kritikern der Methode dasselbe Schisma zutage, welches schon bei den vorhergehenden Guetekriterien angesprochen wurde.
Die Kritiker verweisen auf die in ihrer Vielzahl heterogenen aber insgesamt doch eher negativ verlaufenen Validierungspruefungen, waehrend die Befuerworter um so entschiedener auf die Komplexitaet und Ganzheitlichkeit des Verfahrens pochen, wobei sie hervorheben, dass Einzelmerkmale nur im syndromatischen oder gar individuell-spezifischen Zusammenhang ihre Gueltigkeit besitzen, bzw. dass fuer Einzelmerkmale und Syndromkomplexe eine differentielle Gueltigkeit fuer spezifische Probandengruppen angenommen werden muesse.
SPITZNAGEL (1982) verweist in konsequenter Fortfuehrung solcher Argumente darauf, dass eine Validierung des Verfahrens nur in Kombination mit dem (jeweiligen) Diagnostiker erfolgen koenne, wobei er nachfolgend (mit den Worten BOTTENBERGs 1972) zugesteht, "dass die Bedingungen" (der Unterschiede in der individuellen Diagnostizierungsfaehigkeit) "im Dunklen liegen".
Diese Betrachtung der Validitaetsproblematik ohne weitere Spezifizierung des Anspruchs an den Diagnostiker bedeutet aber eine (zumindest) partielle Aufhebung des Instrumentalitaetscharakters des Verfahrens, wobei die Problematik nur zu ungunsten der Auswertungs- und Interpretationsobjektivitaet verschoben wurde.

Zur Aufklaerung des multidimensionalen Konstruktanspruchs des Ro-T wurden mehrfach faktorenanalytische Methoden herangezogen. Die hierbei interpretierten Dimensionen konnten aber in keiner Weise den Anspruch der differenzierten Merkmals- und Interpretationssysteme bestaetigen. Vielmehr zeigen die ermittelten (gegenueber der Anzahl der Ro-Variablen i.a. erheblich minderdimensionalen) Faktorenloesungen eher diffuse und fuer die Aufklaerung der Ro-Methodik kaum praegnante Zusammenhaenge einzelner Variablen (MURSTEIN 1965).
WEWETZER (1961) ermittelte in einer Studie mit verhaltensauffaelligen Kindern "niveau-abhaengige", unterschiedliche Faktorenloesungen fuer Oberschueler und Volksschueler und gelangt zu der Annahme, dass bei der Interpretation der "strukturlabile" Status des Verfahrens Beruecksichtigung finden muesse, indem "wirksame persoenlichkeitsspezifische Funktionen" beachtet werden sollten.
In diesem Sinne mutmassen bspw. PAWLIK (1968) und FISCHER & SPADA (1973), dass die Faktorisierung von Ro-Variablen vielfach nur testspezifische methodische Artefakte hervorbringe.

Validierungsuntersuchungen zu einzelnen Auswertungsvariablen oder Merkmalskomplexen des Ro-T unter Bezugnahme auf psychodiagnostische Verfahren aehnlichen Messanspruchs erbrachten im allgemeinen eher enttaeuschende oder zumindest heterogene Ergebnisse (ESCHENBACH & BORGATTA 1955; WITTENBORN & HOLZBERG 1951; JENSEN 1964; KNOPF 1956; KOBLER & STEIL 1953; CRONBACH 1956). Unter Hinweis auf die unerlaessliche kontextuelle Interpretation der Variablen, als qualitativ-systemabhaengig gewertete Einzelinformationen, werden solche Studien von Ro-Vertretern nahezu einhellig abgelehnt (KLOPFER & DAVIDSON 1967; KREITLER & EBLINGER 1960; SPITZNAGEL 1982; BOHM 1972).

Die Ueberpruefung komplexerer Interpretationsbefunde, die dem methodischen Anspruch des Verfahrens als am angemessensten gelten kann, zentriert sich in der Mehrzahl auf psychopathologische Klassifikationen (bzw. die Diagnostik von "Fehlangepasstheit") und Intelligenzeinschaetzungen.
Bezueglich der psychopathologischen Einstufungen zeichnet sich (in den meist angelsaechsischen Untersuchungen) ein Trend zu zumindest signifikanten oder sogar praxisgerechten Trefferquoten ab (CHAMBERS & HAMLIN 1957; CUMMINGS 1954; CALDWELL et al. 1952; DATEL & GENGERELLI 1955; LONG & KARON 1969), wenngleich der Anteil von Fehleinstufungen i.a. nicht als befriedigend gelten kann bzw. vielfach die Qualitaet der Einstufungen unterhalb des Signifikanzniveaus verblieb (SILVERMANN 1959; NEWTON 1954; ARMITAGE & PEARL 1957).

Die Eignung des Ro-T zur Intelligenzdiagnose kann als einer der umstrittensten Bereiche der Ro-Diagnostik gelten.
In verschiedenen Studien wurden fuer Ro-Intelligenzbefunde relativ guenstige Beziehungen zu Kriteriumsvariablen (meist Intelligenztest-Einstufungen) nachgewiesen (VERNON 1935; DAVIS 1961; MICHEL 1961; MIELDS 1966; ARMITAGE et al. 1955; BIALICK & HAMLIN 1954; GREBSTEIN 1963; SPITZNAGEL 1963; STAECKER & STAPF 1967) wobei die Zusammenhaenge im Bereich von ca. 0,50 bis 0,88 variierten. Der letztere Maximalwert wurde in der Studie von MICHEL (1961) erzielt, der allerdings nur 7 Protokolle (einer relativ intelligenz-heterogenen Stichprobe) verwendete (SPITZNAGEL 1963: 5 Protokolle; MIELDS 1966: 24 Protokolle), wobei die Ergebnisse solcher Rangreihungs-Versuche nicht unbedingt verbindliche Rueckschluesse auf die Praxis der Einzeldiagnostik zulassen.
Demgegenueber stehen eine Vielzahl tendenziell negativ verlaufener Validierungsversuche (ARMITAGE et al. 1955; BLATT & ALLISON 1963; TAULBEE 1955; SCHMIDT et al. 1966; ERLEMEIER et al. 1974; FIPPINGER 1968). Insbesondere die Untersuchungen von ERLEMEIER et al. (1974) und SCHMIDT et al. (1966) an relativ umfangreichen und spezifizierten Stichproben (N = 180 aeltere Personen bzw. 80 ueberdurchschnittlich intelligente Studenten und Auszubildende) relativieren den Anspruch des Ro-T auf eine (ueber Grobschaetzungen hinausgehende) differenzierte Intelligenzdiagnose.

Einen interessanten Ansatz zu einer messtheoretischen Ueberprueung der Ro-Konzeption begingen FISCHER & SPADA (1973), die anstelle deterministisch fundierter Gueteuntersuchungen nach Konzepten der "klassischen Testtheorie" die Modelltauglichkeit von Ro-Variablen im probabilistischen Messmodell von Rasch ueberprueften. Wenngleich die Studie hinsichtlich der Ausschoepfung des Ro-Datenmaterials nicht als befriedigend gelten kann (von 135 Pbn einer relativ homogenen Stichprobe wurden nur die Erstantworten zu den einzelnen Bildern beruecksichtigt, was zu atypischen Haeufigkeitsverteilungen der Signierungskategorien fuehrte) und die Modellvertraeglichkeit nicht im engeren Sinne als Gueltigkeitsnachweis angesehen werden kann, erbrachten die Analysen doch - zumindest fuer das zweikategorielle Rasch-Modell - einige modellvertraegliche Resultate. Modellvertraeglichkeit (bei teilweise eher nicht-optimaler Modellanpassung) wurde demnach fuer die zweikategorielle Haeufigkeits-Auswertung der Variablen "Formschaerfe" (vs. "Formunbestimmtheit"), "Tierantworten" (vs. andere Deutungsgehalte) und "Ganzantworten" (vs. "Detailantworten") nachgewiesen.
 

Normierung

Die Interpretation von Ro-Protokollen erfolgt vielfach auf der Grundlage quantifizierender "Richt-" oder "Normalwerte", die z.T. noch an den Angaben von RORSCHACH (1921) orientiert sind, z.T. von den Anwendern in individueller Praxis erstellt wurden oder auch gaengigen Lehrbuechern entnommen sind (BOHM 1967; KLOPFER & DAVIDSON 1967).
Abgesehen von der Tatsache, dass diese "Normwerte" z.T. keinen verbindlichen quantifizierenden Anspruch vertreten, fehlen i.a. notwendige Informationen wie die Charakterisierung der Bezugspopulationen und Merkmalsverteilungen. Im uebrigen widerspricht auch in diesem Punkt der ganzheitlich-komplexe Anspruch vieler Rorschachisten der quantifizierenden Analyse (Normierung) von Einzelvariablen (BOHM 1957).
Demgegenueber steht die Forderung nach Grobnormen, denen zumindest gruppenspezifische Verbindlichkeit zugesprochen werden kann (LIENERT 1967; SPITZNAGEL 1982), wobei fuer die praktische Anwendbarkeit eine Gewichtung der absoluten Werte ueber die individuelle Antwortenzahl als notwendig gelten kann (was wiederum neuerliche Probleme nach sich zieht).
Als weiterer Problempunkt verbindlicher Normierungsangaben kann die Vielzahl unterschiedlicher Signierungskonventionen gelten.
Die bislang vorliegenden Normhinweise entstammen meist angelsaechsischen Studien und sind spezifischen Signierungssystemen zugeordnet (MOGENSEN et al. 1962; LOOSLI-USTERI 1961; HASEMANN 1963; CASS & McREYNOLDS 1951; BECK et al. 1950; GEORGAS & VASSILIOU 1967; AMES et al. 1952; NEFF & LIDZ 1951).
 

Anwendungsmöglichkeiten

Die Anwendung des Verfahrens soll eine umfassende Persoenlichkeitsdiagnose ermueglichen und dabei die wesentlichen Komponenten der Persoenlichkeitsstruktur und -dynamik von Pbn erhellen.
Der Ro-Test findet besonders im klinischen Bereich noch weite Verwendung. Im Forschungsbereich wurde die Methodik weitgehend durch objektive Persoenlichkeitstests abgeloest.
 

Bewertung

Der breitbandige individualdiagnostische Geltungsanspruch des Ro-Verfahrens, der von den Anhaengern der Methodik in vielfaeltigen (bis hin zu privat-detailistischen) Auswertungsvarianten ausgestaltet wurde, kann anhand der heterogenen und vielfach negativ verlaufenen Gueteuntersuchungen nicht bestaetigt werden. Die von einigen Ro-Anhaengern vertretenen Rueckzugspositionen des Insistierens auf dem ganzheitlich-komplexen Charakter des Verfahrens (ohne fundierte methodische Aufklaerung des Testgeschehens) sowie der geforderten Einbeziehung des Diagnostikers in die Guetebewertung des Instruments zeigen dabei keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Interessanter erscheinen dagegen inhaltlich-systematische Modifikationen mit psychometrischer Orientierung wie die Holtzman-Inkblot-Technik (HOLTZMAN et al. 1961) oder der Ro 30 (BOTTENBERG 1972).
 

Literatur

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  • Rorschach, H. (1998). Psychodiagnostics. A diagnostic test based on perception (10th ed.) [complete test consisting of manual, psychodiagnostic plates, recording blanks, and location charts]. Cambridge, MA: Hogrefe & Huber.
 

Rezensionen

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  • Spreen, O. & Strauss, E. (1998). A compendium of neuropsychological tests. Administration, norms, and commentary (2nd ed. pp. 646-652: Rorschach Test). New York: Oxford University Press.
  • Walter, P. (1987). Rorschach-Test. In S. Grubitzsch & G. Rexilius, Testtheorie - Testpraxis. Voraussetzungen, Verfahren, Formen und Anwendungsmöglichkeiten psychologischer Tests im kritischen Überblick (28.-30. Tausend. rororo Sachbuch Nr. 7157. Kurzanalyse S. 256-260). Reinbek: Rowohlt.
  • Walter, P. (1999). Rorschach-Test. In S. Grubitzsch, Testtheorie - Testpraxis. Psychologische Tests und Prüfverfahren im kritischen Überblick (2. unveränderte Auflage der vollständig überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe 1991. Kurzanalyse S. 529-534). Eschborn: Klotz.
  • Wienand, F. (2016). Projektive Diagnostik bei Kindern, Jugendlichen und Familien. Grundlagen und Praxis - ein Handbuch (S. 274-285: Der Rorschach-Test, Rorschach, 1921). Stuttgart: Kohlhammer.
  • Wittkowski, J. (1994). Testbesprechung: Testauswertungsprogramm Rorschach-Test ("Rorschach-Diskette") (Aus der Arbeit des Testkuratoriums). Diagnostica, 40 (4), 375-381.
  • Wittkowski, J. (1997). Replik zur Rezension des Rorschach. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 18 (1/2), 96-99.
 
 Gerhard Prökel (31.05.1988)
 APA-Schlagworte/PSYNDEX Terms:

Computerized Assessment; Projective Techniques; Projective Personality Measures; Rorschach Test; Clinical Psychology; Psychiatry; Mental Disorders; Creativity; Intelligence

Computergestützte Messung; Projektive Tests; Projektive Persönlichkeitstests; Rorschach-Test; Klinische Psychologie; Psychiatrie; Psychische Störungen; Kreativität; Intelligenz

 weitere Schlagworte:

1921 (1. Auflage); 1932 (2. Auflage); 1942 (3., überarbeitete und erweiterte Auflage); 1949 (4. Auflage); 1992 (11.Auflage); Deutungen
 Klassifikation:

Klinische Psychodiagnostik; Psychische Störungen; Psychoanalytische Therapie
Projektive Formdeuteverfahren; Mehrdimensionale klinische Persönlichkeitstests
10.5; 11.1
 Anwendungstyp: Individual Diagnosis
 Art der Publikation: Test; Test in Print (90; 911)
 Sprache: German
 Übersetzungen: Czech, English, French, Spanish
 Land: Switzerland
 Publikationsjahr: 1949
 Änderungsdatum: 201609
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