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Vollansicht des PSYNDEX Tests-Dokuments: Internationale Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen | ||
PSYNDEX Tests-Dokument: 9002311 | ||
ICIDH - Internationale Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen (PSYNDEX Tests Review) | ||
International Classification of Impairments, Disabilities, and Handicaps (WHO, 1980) - German version/author | ||
Matthesius, R.-G., Jochheim, K.-A., Barolin, G.S. & Heinz, C. (Hrsg.). | ||
(1995). ICIDH. International Classification of Impairments, Disabilities, and Handicaps. Teil 1: Die ICIDH - Bedeutung und Perspektiven. Teil 2: Internationale Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen. Ein Handbuch zur Klassifikation der Folgeerscheinungen der Erkrankung. Berlin: Ullstein Mosby. ISBN: 3-86126-082-4 | ||
Bezugsquelle: Verlag Ullstein Mosby, Kreuzberger Ring 66, D-65205 Wiesbaden. Anmerkung: Die komplette ICIDH einschließlich der Kodierungsregeln und umfangreicher Erläuterungen ist in Teil 2 des deutschen Handbuchs (Matthesius, Jochheim, Barolin & Heinz, 1995) enthalten. Nach Redaktionsschluss wurde eine Folgeversion ICIDH-2 herausgegeben. Die ICIDH-2 wurde unter dem Titel International Classification of Functioning, Disability and Health mit der Abkürzung ICF im Mai 2001 von der Vollversammlung der WHO verabschiedet. DIMDI ist Herausgeber der deutschsprachigen Fassung der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (DIMDI, 2006; PSYNDEX Tests-Nr. 9004264). | ||
Adresse(n): o G.S. Barolin, Ludwig Boltzmann-Institut für Neuro-Rehabilitation und -Prophylaxe, Gallmistraße 29, A-6800 Feldkirch, Österreich | ||
AbstractDiagnostische Zielsetzung:Die International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps (ICIDH) stellt ein multiaxiales Klassifikationssystem dar, mit dem ergaenzend zur ICD die Folgen chronischer Erkrankungen oder Stoerungen auf mehreren Ebenen beschrieben werden sollen. Allerdings wird die ICIDH von ihren Autoren nicht als eigenstaendiges Assessment-Verfahren verstanden, sondern vielmehr als konzeptionelle Grundlage fuer soziale und gesundheitspolitische Massnahmen sowie fuer die Entwicklung diagnostischer Instrumente, die in der Forschung, in der Individualdiagnostik sowie in der Planung und Evaluation von Interventionsmassnahmen Verwendung finden koennen.
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Testkonzept | ||
Theoretischer HintergrundDie International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps (ICIDH) stellt ein multiaxiales Klassifikationssystem dar, mit dem die Folgen chronischer Erkrankungen oder Gesundheitsstoerungen beschrieben werden koennen. Ausgangspunkt fuer die Vorlage dieser Klassifikation war, dass die "Internationale Klassifikation der Krankheiten, Verletzungen und Todesursachen (ICD)" bei chronischen Krankheiten und Schaedigungen nur eine begrenzte Hilfe darstellt, da sie zwar eine Klassifikation von Gesundheitsstoerungen gemaess ihrer Aetiologie, Pathogenese und Manifestation ermoeglicht, jedoch eine ausreichend differenzierte Diagnose der zunehmenden chronischen Krankheiten und ihrer Folgezustaende ebensowenig erlaubt wie eine zielgenaue Ableitung von Behandlungsmoeglichkeiten.Die ICIDH als Zusatzklassifikation der ICD basiert im Gegensatz zur kausal orientierten Konzeption der ICD auf einem final orientierten Krankheitsfolgenmodell (Jochheim & Matthesius, 1995). Eine Manifestation von Krankheit bzw. eine Gesundheitsstoerung aeussert sich der ICIDH zufolge einerseits als Symptomenkomplex, andererseits resultiert sie in bestimmten Folgeerscheinungen auf drei verschiedenen Dimensionen bzw. Betrachtungsebenen, deren Auspraegung (und ggf. Dynamik) moeglichst exakt beschrieben werden sollen. Erfasst werden mittels der ICIDH: - das Ausmass der Schaedigungen ("impairments"), definiert als ein "Verlust oder eine Normabweichung in der psychischen, physiologischen oder anatomischen Struktur oder Funktion" (Matthesius, Jochheim, Barolin & Heinz, 1995, S. 243); - das Ausmass der Faehigkeitsstoerungen ("disabilities"; in der ersten deutschen Version der ICIDH von Matthesius, 1990, noch als "Behinderung" uebersetzt), d.h. "jede Einschraenkung oder jeder Verlust (als Folge einer Schaedigung) der Faehigkeit, Aktivitaeten in der Art und Weise oder in dem Umfang auszufuehren, die fuer einen Menschen als normal angesehen wird" (Matthesius et al., 1995, S. 244); - das Ausmass der Beeintraechtigungen ("handicaps"), d.h. der sozialen, kulturellen und oekonomischen Folgen der Erkrankung, definiert als "eine Benachteiligung des betroffenen Menschen, die die Erfuellung einer Rolle einschraenkt oder verhindert, die (abhaengig von Geschlecht, Lebensalter sowie sozialen und kulturellen Faktoren) fuer diesen Menschen normal ist" (Matthesius et al., 1995, S. 245). Die letztgenannte Dimension wird gepraegt durch zwei sich wechselseitig beeinflussende Aspekte, naemlich die Reflexion der Stoerung im Erleben, Bewerten und Verhalten der betroffenen Person, d.h. durch die individuellen Prozesse der Krankheitsbewaeltigung (Coping) sowie die Reaktionen der Gesellschaft auf Krankheit und Behinderung. In der Regel, jedoch nicht immer, folgen die drei Ebenen aufeinander, d.h. eine Schaedigung fuehrt zu einer Faehigkeitsstoerung und diese zu einer Beeintraechtigung der Person. Die ICIDH versteht sich nicht als ein Assessment-Verfahren im engeren Sinne, sondern vielmehr als "methodische Grundlage zur Beschreibung der Manifestation einer Gesundheitsstoerung" (Matthesius, 1995, S. 37), welche als Rahmenkonzeption z.B. fuer gesundheits- und sozialpolitische Ueberlegungen, fuer die demographische und epidemiologische Forschung und fuer die Konzeptualisierung und Evaluation von Massnahmen der gesundheitlichen Versorgung, aber auch fuer die Entwicklung von Erhebungsinstrumenten fungieren kann, wobei letztere in der Regel nur Teile des Klassifikationssystems aufgreifen werden (Jochheim & Matthesius, 1995). | ||
TestaufbauDie International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps erlaubt eine Klassifikation von Folgen einer Gesundheitsstoerung auf drei Ebenen:(1) Klassifikation der Schaedigungen (Impairments). Schaedigungen werden auf neun (einziffrigen) Hauptkategorien mit insgesamt 90 (zweiziffrigen) Unterkategorien klassifiziert: 1 Intellektuelle Schaedigungen 2 Andere psychische Schaedigungen 3 Sprachschaedigungen 4 Ohrschaedigungen 5 Augenschaedigungen 6 Viszerale Schaedigungen 7 Skelettschaedigungen 8 Entstellende Schaedigungen 9 Generalisierte, sensorische und andere Schaedigungen (2) Klassifikation der Faehigkeitsstoerungen (Disabilities). Die diesbezuegliche Klassifikation umfasst ebenfalls neun (einziffrige) Hauptkategorien mit insgesamt 69 (zwei- bis dreiziffrigen) Unterkategorien. Fuer jede Unterkategorie koennen ergaenzend der Schweregrad sowie die Prognose, d.h. der wahrscheinliche Verlauf des Zustands der Faehigkeitsstoerung, an vierter bzw. fuenfter Stelle der Klassifikation verschluesselt werden. Die entsprechende Beurteilung erfolgt ebenfalls auf jeweils neun Stufen von "ohne Faehigkeitsstoerung" bis "keine Kenntnis ueber Schweregrad" bzw. "ueber Prognose": 1 Faehigkeitsstoerungen im Verhalten 2 Faehigkeitsstoerungen in der Kommunikation 3 Faehigkeitsstoerungen in der Selbstversorgung 4 Faehigkeitsstoerungen in der Fortbewegung 5 Faehigkeitsstoerungen in der koerperlichen Beweglichkeit 6 Faehigkeitsstoerungen in der Geschicklichkeit 7 Situationsbedingte Faehigkeitsstoerungen 8 Faehigkeitsstoerungen in besonderen Fertigkeiten 9 Andere Aktivitaetseinschraenkungen (3) Klassifikation von Beeintraechtigungen (Handicaps): Soziale Benachteiligungen in zentralen Lebensbereichen (physische, oekonomische, soziale und berufliche Grundbeduerfnisse beispielsweise nach koerperlicher Unabhaengigkeit, Mobilitaet, Beschaeftigungsfaehigkeit, sozialer Integration usw.) werden in sieben Kategorien beurteilt. Fuer jede Kategorie steht eine eigenstaendige neunstufige Schwereskala zur Verfuegung: 1 Beeintraechtigung der Orientierung 2 Beeintraechtigung der physischen Unabhaengigkeit 3 Beeintraechtigung der Mobilitaet 4 Beeintraechtigung der Beschaeftigung 5 Beeintraechtigung der sozialen Integration 6 Beeintraechtigung der oekonomischen Eigenstaendigkeit 7 Andere Beintraechtigungen | ||
AuswertungsmodusDie Auswertung besteht in der Klassifikation von Folgen einer Gesundheitsstoerung auf den beschriebenen drei Ebenen. | ||
AuswertungshilfenKeine Angaben. | ||
AuswertungszeitKeine Angaben. | ||
Itembeispiele23. Schaedigung der Perzeption23.0. Schaedigung der Intensitaet der Perzeption Inklusive: Veraenderungen des Grades, in dem Qualitaeten und Eigenschaften von Objektiven deutlich empfunden werden und sich einpraegen. 23.00 Gleichmaessige Abgestumpftheit der Perzeption 23.01 Selektive Abgestumpftheit der Perzeption Inklusive: Abgestumpftheit in spezifischen Modalitaeten 23.02 Gleichmaessige Erhoehung der Perzeption 23.03 Selektive Erhoehung der Perzeption Inklusive: Laerm-Ueberempfindlichkeit 23.08 Andere 23.09 ohne naehere Angaben 23.1 Entstellung der Perzeption Inklusive: Taeuschungen, gestoerte Perzeptionen unter Entstellung des objektiven Inhalts von auf verschiedene Weise von den Sinnen aufgenommenen Informationen -etwas tatsaechlich zu Sehendes oder zu Hoerendes wird als etwas anderes wahrgenommen Exklusive: Depersonalisation (23.30) 23.10 Optische Taeuschungen 23.11 Akustische Taeuschungen 23.12 Taktile Taeuschungen 23.13 Kinaesthetische Taeuschungen 23.14 Taeuschungen in anderen Sinnesmodalitaeten 23.15 Zusammengesetzte Taeuschungen Inklusive: Para-idiotische Einbildung 23.18 Andere 23.19 ohne naehere Angaben 23.2 Fehlerhafte Perzeption Inklusive: Halluzinationen und Pseudohalluzinationen, fehlerhafte oder abnorme Perzeptionen, die nicht auf objektiven Sinnesinformationen beruhen 23.20 Visuelle Halluzinationen 23.21 Akustische Halluzinationen 23.22 Taktile Hallzinationen 23.23 Olfaktorische Halluzinationen 23.24 Gustatorische Halluzinationen 23.25 Andere Halluzinationen 23.26 Pseudohalluzinationen Inklusive: jene in irgendeiner Sinnesmodalitaet 23.27 Oneiroider oder traumhafter halluzinatorischer Zustand 23.28 Andere 23.29 ohne naehere Angaben 23.3 Stoerung des koerperlichen Bewusstseins 23.30 Depersonalisation Wahrnehmungen der Entfremdung vom eigenen Koerper und die Wahrnehmung der Veraenderung der eigenen Beziehung zur Umwelt und zur Umgebung (und umgekehrt) 23.31 Derealisation Veraenderung des Gefuehls fuer Realitaet/Irrealitaet und Bekanntheit/Unbekanntheit, das die Perzeption von Objekten begleitet Inklusive: deja vu-, jamais vu- und deja vecu-Wahrnehmungen 23.32 Stoerung des koerperlichen Selbstbildes Inklusive: Phantomglied-Wahrnehmungen 23.38 Andere 23.39 ohne naehere Angaben 23.4 Stoerungen der Perzeption von Zeit und Raum Inklusive: Wahnehmungen des Zeit-Stillstands, der Mikropsie und der Makropsie 23.5 Schaedigung der Realitaetspruefung Inklusive: Verlust der Faehigkeit, Fantasie von Realitaet zu unterscheiden 23.8 Andere 23.9 ohne naehere Angaben Klassifikation der Faehigkeitsstoerungen: 3 Faehigkeitsstoerungen in der Selbstversorgung 37 Faehigkeitsstoerungen in der Nahrungszubereitung 37.0 Im Getraenkeausteilen 37.1 im Halten eines Trinkgefaesses 37.2 im Austeilen von Essen usw. (Schweregradskala fuer Faehigkeitsstoerungen) 0 ohne Funktionsstoerung 1 Schwierigkeiten bei der Ausfuehrung 2 Ausfuehrung mit Hilfsmitteln 3 Ausfuehrung mit Unterstuetzung 4 Abhaengigkeit bei der Ausfuehrung 5 Hoehergradige Unfaehigkeit 6 Vollstaendige Unfaehigkeit 8 nicht zutreffend 9 Schweregrad nicht naeher angegeben (Prognoseskala fuer Faehigkeitsstoerungen) 0 ohne Faehigkeitsstoerung 1 Heilungsmoeglichkeit 2 Verbesserungsmoeglichkeit 3 Unterstuetzungsmoeglichkeit 4 Stabile Faehigkeitsstoerung 5 Linderungsmoeglichkeit 6 Sich verschlechternde Faehigkeitsstoerung 8 Unbestimmte Prognose 9 Prognose ohne naehere Angaben Klassifikation von Beeintraechtigungen: 6 Beeintraechtigungen in der oekonomischen Eigenstaendigkeit (Definition: Oekonomische Eigenstaendigkeit ist die Faehigkeit einer Person, uebliche sozialoekonomische Aktivitaeten sowie Unabhaengigkeit aufrecht zu erhalten). Skalenkategorien: 0 Wohlhabend, d.h. wirtschaftlich betraechtlich besser gestellt als die Mehrheit der Bevoelkerung 1 Bequemes Auskommen, d.h. die oekonomische Mittel reichen aus, um eventuelle zusaetzliche Ausgaben infolge einer Beeintraechtigung oder Faehigkeitsstoerung selbst zu tragen 2 Voellig eigenstaendig, d.h. oekonomische Eigenstaendigkeit ohne materielle Unterstuetzung durch andere Menschen oder die Gesellschaft (Mittel wie Invalidenrente usw. werden nicht als Unterstuetzung, sondern als Einkommensanspruch gewertet) 3 Angepasste Eigenstaendigkeit, d.h. oekonomische Eigenstaendigkeit, jedoch Verschlechterung des Lebensstandards infolge der Schaedigung oder Faehigkeitsstoerung (z.B. Beschaeftigungswechsel verbunden mit niedrigerem Einkommen) 4 Ungewisse Eigenstaendigkeit, d.h. wirtschaftliche Eigenstaendigkeit kann nur bei erheblicher finanzieller Hilfe aufrechterhalten werden 5 Oekonomisch verarmt, d.h. trotz Hilfe durch andere Personen oder die Gesellschaft wirtschaftliche Entbehrungen bis zum Existenzminimum 6 Verarmt, d.h. keine eigenen oder fremden Geldmittel 7 Notleidend, d.h. oekonomisch nicht eigenstaendig und ohne Unterstuetzung durch andere, so dass der Behinderungsstatus sich weiter verschlimmert 8 Oekonomisch inaktiv, d.h. aufgrund der begrenzten Kompetenz (z.B. geistiger Retardierung) oder niedrigen Alters unfaehig zu oekonomischen Aktivitaeten 9 ohne naehere Angaben | ||
Durchführung | ||
TestformenEine Beurteilung kann jeweils nur fuer eine Person durchgefuehrt werden. Fuer den deutschen Sprachraum stehen neben der vollstaendigen Version der ICIDH (Matthesius et al., 1995) die Uebersetzungen der Impairment- und Disability-Klassifikation von Behrens und Brambring (1987) bzw. deren Uebertragung in ein Fragebogenformat (Behrens, 1986) zur Verfuegung. Am Rehabilitationszentrum der Universitaet Koeln wurde zudem nach Angaben von Behrens und Brambring (1987) eine weitere Uebersetzung angefertigt (Jochheim, o.J.).Als konzeptioneller Rahmen hat die ICIDH mittlerweile international die Entwicklung einer Reihe von Instrumenten zur Schaedigungsfeststellung sowie zur Diagnose von Faehigkeitsstoerungen und Beeintraechtigungen angeregt. Schuntermann (1995) legt eine Uebersicht der wichtigsten Verfahren vor, die innerhalb von Rehabilitationsprozessen zur Feststellung von Krankheitsfolgen auf den drei Ebenen der ICIDH Verwendung finden. Im deutschen Sprachraum ist auf der Ebene der Impairments v.a. auf verschiedene Schmerzskalen zu verweisen (z.B. Hamburger Schmerz Adjektiv Liste, Kieler Kopfschmerzfragebogen, Revidierte mehrdimensionale Schmerzskala). Zur Feststellung von Faehigkeitsstoerungen kann auf Verfahren zur Ermittlung von Aktivitaeten des taeglichen Lebens (ADL) zurueckgegriffen werden (z.B. den Barthel-Index bzw. den Funktionalen Selbstaendigkeitsindex; Frommelt & de Langen, 1995). Speziell fuer die Diagnose von Faehigkeitsstoerungen im Kontext beruflicher Rehabilitationsprozesse entwickelte Schian (1994, 1996) auf Grundlage der ICIDH das Verfahren ERTOMIS, welches die Erfassung von Arbeitsplatzanforderungen und individuellen Fertigkeiten der Person auf korrespondierenden Faehigkeits- und Anforderungsprofilen mit je 65 Beurteilungskriterien ermoeglicht. Soziale Beeintraechtigungen koennen bspw. mit dem Fragebogen zur sozialen Integration von Wietersheim, Ennulat, Probst, Wilke und Feiereis (1989) abgebildet werden. Barolin und Reichart (1995) stellen mit der Barolin-Neuro-Reha-Skala ein Verfahren vor, das die Skalierung von Folgen neurologischer Erkrankungen auf der Ebene von Impairments, Disabilities und Handicaps erlaubt. Eine Vielzahl weiterer Instrumente, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen werden kann, wurden in den USA, Kanada und Grossbritannien entwickelt (vgl. Schuntermann, 1995). | ||
AltersbereicheDie ICIDH kann bei Personen mit chronischen Schaedigungen aus allen Altersgruppen eingesetzt werden. Eine Klassifikation von Kindern wird von den Autoren nicht explizit ausgeschlossen, doch erscheint die ICIDH in Anbetracht der vorgegebenen Beurteilungskriterien hierfuer wenig geeignet. | ||
DurchführungszeitAngaben ueber die Durchfuehrungsdauer bei Verwendung der vollstaendigen ICIDH (Matthesius et al., 1995) liegen nicht vor. Fuer die Bearbeitung der Disability- und Handicap-Skalen, welche von Behrens und Brambring (1987) vorgegeben wurden, sind zwischen 50 und 90 Minuten zu veranschlagen, der Durchschnitt lag bei ca. 75 Minuten. | ||
MaterialDie komplette ICIDH einschliesslich der Kodierungsregeln und umfangreicher Erlaeuterungen ist in Teil 2 des deutschen Handbuchs (Matthesius et al., 1995) abgedruckt. | ||
InstruktionFuer die Impairment- und Disability-Skalen liegen im Handbuch zur deutschsprachigen ICIDH-Ausgabe allgemeine Kodierungsanleitungen vor. Die Handicaps sind gemaess detaillierterer Kodierungsregeln zu beurteilen, welche speziell fuer jeden der sieben Lebensbereiche dokumentiert sind (Matthesius et al., 1995). | ||
DurchführungsvoraussetzungenIm Handbuch der ICIDH (Matthesius et al., 1995) werden keine Angaben ueber Durchfuehrungsvoraussetzungen (z.B. berufliche Qualifikation der Beurteiler, Beurteilerschulung) gemacht. In der Untersuchung von Behrens und Brambring (1987) wurden fuer jeden Beobachter zwei Bearbeitungsphasen probeweise durchgefuehrt. Dies erwies sich jedoch als ungenuegend. | ||
TestkonstruktionDie WHO strebte mit der Konstruktion der International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps eine Vereinheitlichung der Terminologie fuer die Beschreibung der Probleme chronisch Kranker und Behinderter an und verfolgte im wesentlichen drei praktische Ziele (nach Behrens & Brambring, 1987, S. 395):(1) Erstellung von Statistiken, um Veraenderungstrends in der Behindertenzahl und die Beduerfnisse von Behinderten zu erfassen. (2) Verwendung als Hilfsmittel, um Praeventions- und Interventionsmassnahmen evaluieren zu koennen. (3) Katalogisierung und Registrierung von Fallberichten. Eine erste Version der ICIDH wurde im Jahre 1980 vorgelegt (World Health Organisation, 1980) und liegt auch in deutscher Uebersetzung vor (Matthesius, 1990). In der Folgezeit wurden umfangreiche Verbesserungsvorschlaege zur Weiterentwicklung des Systems erarbeitet, die z.T. bereits in der Neuauflage der ICIDH von 1993 beruecksichtigt wurden (World Health Organisation, 1993), auf der auch die vorgelegte deutsche Uebersetzung (Matthesius et al., 1995) beruht. Parallel zur Arbeit der WHO selbst wurden z.B. auch von der Canadian Society for the ICIDH (CSICIDH) Anregungen zur Weiterentwicklung der ICIDH entwickelt, die in erster Linie auf eine Verbesserung der Klassifikation von sozialen Beeintraechtigungen abzielen. Eine grundlegende Revision der ICIDH wurde im Juni 1997 vorlaeufig abgeschlossen. Diese sog. Beta-Version der ICIDH-2 befindet sich derzeit in der Erprobung; ihre endgueltige Fassung ist fuer das Jahr 1999 angekuendigt (Schuntermann, 1997). Eine zusaetzliche Uebersetzung der Disability- und die Handicap-Skala wurde von Behrens und Brambring (1987) vorgelegt. Ebenso wurde von Behrens (1986) im Rahmen einer Diplomarbeit eine Uebertragung dieser beiden Skalen in ein Fragebogenformat vorgenommen. Die Impairment-Skala wurde nicht uebersetzt. | ||
Gütekriterien | ||
ObjektivitätFuer die komplette ICIDH (Matthesius et al., 1995) liegen bisher keine empirischen Untersuchungen vor, die Rueckschluesse auf die Objektivitaet der Klassifikation zulassen wuerden.In der Untersuchung von Behrens und Brambring (1987) wurde die Beurteileruebereinstimmung als wesentliche Voraussetzung fuer die Brauchbarkeit des Verfahrens einer Pruefung unterzogen. Von 36 Mitarbeitern aus drei Rehabilitationseinrichtungen fuer Sehgeschaedigte wurden insgesamt n = 18 Sehgeschaedigte (Vollblinde und hochgradig Sehbehinderte) jeweils in Zweiergruppen beurteilt. Berechnet wurden die prozentualen Uebereinstimmungen und Kappa-Werte: Bei der Haelfte aller Kategorien ergaben sich Uebereinstimmungen groesser als 80%. Jedoch nur fuenf Kategorien bei der Schweregradbeurteilung und nur zwei Kategorien bei der Prognoseeinschaetzung erzielten ein Kappa > = .60, das auf gute Uebereinstimmungen hinweist. Die Disability-Skala weist ein Gesamtkappa = .44 fuer die Schweregradskala und ein Kappa = .40 fuer die Prognoseskala auf. "Dieser Befund ist nicht ausreichend, um die Disability-Skala der ICIDH in dieser Form als brauchbares Beurteilungsverfahren zu empfehlen" (Behrens & Brambring, 1987, S. 400). Die Handicap-Skala erbrachte noch geringere Werte, "so dass diese Skala der ICIDH in der vorliegenden Untersuchung als nicht brauchbar bewertet werden muss" (S. 401). Bei Behrens und Brambring (1987, S. 398 ff.) sind alle Beurteilungsuebereinstimmungen fuer die 69 Kategorien der Disability Skala aufgefuehrt. | ||
ReliabilitätAngaben zur Reliabilitaet der Klassifikation liegen nicht vor. | ||
ValiditätBehrens und Brambring (1987) nahmen in ihrer Untersuchung neben der Pruefung der Beurteileruebereinstimmung auch eine Pruefung der Relevanz der einzelnen Kategorien fuer Sehgeschaedigte vor. Bei einem Ausschlusskriterium von 50% (d.h. die Mehrzahl der Beurteiler stufte die entsprechende Kategorie als zutreffend fuer Sehgeschaedigte ein) ergaben sich fuer die Disability-Skala 39 Kategorien als weniger relevant. Nur eine Kategorie fand jedoch keine einzige positive Beurteilung.Andere spezifische Angaben zur Validitaet der vollstaendigen ICIDH liegen nicht vor. | ||
NormierungEine Normierung der ICIDH wurde nicht durchgefuehrt und erscheint gemessen an den Zielsetzungen des Klassifikationssystems auch nicht sinnvoll. | ||
AnwendungsmöglichkeitenDie International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps dient der Beurteilung von Schaedigungen, Funktionseinschraenkungen und sozialen Beeintraechtigungen in einem multiaxialen Klassifikationssystem fuer alle Schaedigungsgruppen. Anwendungsmoeglichkeiten ergeben sich sowohl innerhalb der Forschung hinsichtlich der Erstellung von Statistiken oder der Evaluation von Praeventions- und Interventionsmassnahmen als auch in der Individualdiagnostik, z.B. zur Beschreibung der Probleme einer kranken oder behinderten Person, wie sie etwa im Rahmen sozialmedizinischer Begutachtungsprozesse (z.B. der Pflegebeduerftigkeit; Matthesius, 1995) sinnvoll ist. Von Rezensenten hervorgehoben wird besonders die Bedeutung der ICIDH als Bestandteil einer systematischen Qualitaetssicherung in der Rehabilitation (Raspe, 1995). Die ICIDH kann einerseits bei der Planung, Evaluation und Dokumentation von Rehabilitationsmassnahmen genutzt werden (Josenhans & Koch-Prissing, 1994; Schuntermann, 1996). So liefert Voigt-Radloff (1997) konkrete Anregungen fuer die Nutzung der ICIDH durch Ergotherapeuten. Andererseits kann die ICIDH als Grundlage fuer die Entwicklung von Instrumentarien zum Assessment von Schaedigungen, Faehigkeitsstoerungen und Beeintraechtigungen fungieren (vgl. Schuntermann, 1995). In der Regel duerfte hierbei nicht auf das vollstaendige Klassifikationssystem zurueckgegriffen werden, sondern die Verfahren sind speziell fuer bestimmte Nutzergruppen zur differenzierten Beurteilung spezifischer Krankheitsbilder bzw. bezogen auf konkrete diagnostische Zielsetzungen zu entwickeln. Im Handbuch der ICIDH-Version werden eine Reihe derartiger Umsetzungsmoeglichkeiten des Klassifikationssystems angedeutet; weitere Hinweise auf praktische Umsetzungsmoeglichkeiten der ICIDH wurden z.B. fuer die Rehabilitation aphasischer Stoerungen (Bucher, Zumsteg & Rentsch, 1997) oder die berufliche Rehabilitation chronisch Schizophrener (Kleffmann, 1996) erarbeitet. Eine Uebersicht ueber die internationale Verbreitung der ICIDH als Rahmenkonzeption im Kontext gesundheits- bzw. sozialpolitischer Fragestellungen gibt Schuntermann (1995). | ||
BewertungDie Vorteile der ICIDH fasst Kleffmann (1996, S. 77 f.) wie folgt zusammen:"- Sie ermoeglicht eine klare Trennung zwischen Behinderung und Krankheit. - Sie richtet das Augenmerk auf die Konsequenzen einer Erkrankung und damit hin zu den Behinderungen, die fuer den Betroffenen daraus erwachsen. - Die ICIDH betont, dass eine Erkrankung oder ein Unfall in verschiedenen Lebensbereichen durchaus unterschiedliche Behinderungen zur Folge haben kann. - Sie traegt zu einer differenzierteren Einschaetzung des Ausmasses von Behinderungen bei, unabhaengig von diagnostischen Zuordnungen. - Unter Beruecksichtigung konkreter Umweltaspekte im Sinne von Anforderungen ermoeglicht sie eine individuenbezogene Einschaetzung von Behinderungen. - Sie verdeutlicht, dass Behinderung nicht eine Eigenschaft der Person ist, sondern erst in der Interaktion der Person mit einer spezifischen Umwelt entsteht" . Positiv hervorzuheben ist sicherlich auch, dass mittels der ICIDH eine sprachlich-begriffliche Vereinheitlichung vorgenommen wird, welche die Kommunikation ueber Erkrankungsfolgen erheblich erleichtern kann (Matthesius, 1995). Probleme der ICIDH sind zum einen in ihrer mangelnden empirischen Ueberpruefung zu sehen; darueber hinaus wurde jedoch von einer Reihe von Autoren auch grundsaetzliche Kritik an der bisherigen Version des Klassifikationssystems vorgebracht. Behrens und Brambring (1987), die als bisher einzige die Disability- und die Handicap-Skala in ihrer vollstaendigen Form einer empirischen Pruefung unterzogen haben, merken kritisch an, dass die Ergebnisse ihrer Untersuchung nicht fuer die Brauchbarkeit der ICIDH in der deutschen Fassung sprechen. Sie fuehren die unbefriedigenden Beurteileruebereinstimmungen in ihrer Untersuchung einerseits auf methodische Probleme zurueck (mangelnde Beurteilerschulung, systematische Beurteilungsfehler, Unzulaenglichkeiten der deutschen Uebersetzung), verweisen jedoch auch auf Unzulaenglichkeiten des Klassifikationssystems selbst. Letzteres wurde schon von anderen Autoren mit Blick auf die Kategorienformulierungen, die Einteilung in Schweregrad- und Prognoseeinschaetzungen und den Umfang des Klassifikationssystems bemaengelt (Ford, 1984; Krieg, 1982; Rahn, 1986; Volkmann, 1986). Ebenso wie die Herausgeber der deutschen Version der ICIDH (Matthesius et al., 1995) kritisieren auch andere Autoren begriffliche Unschaerfen und Ueberlappungen zwischen Kategorien bzw. Begriffen, die in widerspruechlichen Klassifikationsregeln resultieren koennen (Becker, 1994; Becker & Greve, 1995; Schuntermann, 1996). Darueber hinaus fuehrt der Anspruch, ein umfassendes Klassifikationssystem fuer alle Schaedigungsgruppen bereitzustellen, bei spezifischen, relativ homogenen Schaedigungen zu vielen irrelevanten Kategorien, die das Instrument unhandlich machen und die Akzeptanz bei den Beurteilern reduzieren, so dass das Verfahren infolge seiner uebermaessigen Differenziertheit auf der Schaedigungsebene als "wenig praxisnah" eingestuft wurde (Greve, 1993). Zugleich erweist sich die ICIDH nach Meinung verschiedener Autoren jedoch zur Beurteilung der spezifischen Schwierigkeiten einzelner Schaedigungsgruppen als zu undifferenziert. Stoerungsspezifische Schwaechen liegen v.a. im Bereich der psychiatrischen Erkrankungen und der geistigen Behinderungen (Becker & Greve, 1995), wo eine Differenzierung von impairment und disability oft nicht eindeutig moeglich ist, da eine Schaedigung haeufig nur aus Verhaltensauffaelligkeiten (und damit aus disabilities) erschlossen werden kann (Kleffmann, 1996). Zudem kann die subjektive Gewichtung bestimmter Funktionseinschraenkungen und sozialer Benachteiligungen durch die Betroffenen selbst mittels der ICIDH ebensowenig erfasst werden wie die Relation der Krankheitsfolgen zur Biographie des Betroffenen (Becker & Greve, 1995; Greve, 1994, 1996). Auch die Bewaeltigungsfertigkeiten einer Person und kompensatorisch intakte Funktionen, mit deren Hilfe u.U. ein teilweiser Ausgleich von Funktionsbeeintraechtigungen moeglich ist, werden nicht dokumentiert (Greve, 1994, 1996). Kritisiert wird schliesslich auch, dass die Abhaengigkeit bestimmter Handicaps von den gegebenen Umweltbedingungen - und damit die Wechselwirkung zwischen Individuum und Umwelt - trotz guter Ansaetze innerhalb des Klassifikationssystems noch nicht hinreichend differenziert abgebildet wird (Becker, 1994, 1995). Insgesamt wird die ICIDH vor allem in der rehabilitations- und arbeitswissenschaftlichen Literatur lebhaft und kontrovers diskutiert. Eine Pruefung der empirischen Brauchbarkeit der ICIDH vor allem mit Blick auf Objektivitaet, Reliabilitaet und Validitaet der Klassifikation ist bisher nahezu vollstaendig unterblieben. Dennoch birgt das Klassifikationssystem ein erhebliches Potential fuer praktische Anwendungen innerhalb verschiedener Bereiche des Gesundheitssystems. Abzuwarten bleibt, inwieweit die ICIDH-2 (vgl. Schuntermann, 1997), die in einer Beta-Version in den USA bereits verwendet wird, jedoch bisher nicht in einer deutschen Uebersetzung vorliegt, den aufgefuehrten Kritikpunkten Rechnung traegt. | ||
Literatur
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Wichtige neuere Publikationen
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Rezensionen
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Manfred Eberwein (29.04.1991) Anne-Kathrin Mayer (27.09.1998) | ||
APA-Schlagworte/PSYNDEX Terms: | Observation Methods; Taxonomies; Clinical Psychology; Rehabilitation; Disability Evaluation; Severity (Disorders); Prognosis Beobachtungsmethoden; Taxonomien; Klinische Psychologie; Rehabilitation; Invaliditätsbegutachtung; Krankheitsschweregrad; Prognose | |
weitere Schlagworte: | 1980; 1987; 1995; Fremdeinschätzung; Funktionsbeeinträchtigungen; Soziale Beeinträchtigungen; Klassifikation der Schädigungen (Impairments); Klassifikation der Fähigkeitsstörungen (Disabilities); Klassifikation von Beeinträchtigungen (Handicaps) | |
Klassifikation: | Klinische Psychodiagnostik; Körperliche und somatoforme Störungen; Rehabilitation Verhaltensskalen im Bereich der Klinischen Psychologie; Verfahren aus dem Bereich der Rehabilitation 11.20; 11.27 | |
Anwendungstyp: | Individual Diagnosis | |
Art der Publikation: | Test; Other Publication (90; 922) | |
Sprache: | German | |
Übersetzungen: | Arabic, Chinese, Czech, Dutch, English, Finnish, French, Italian, Japanese, Norwegian, Portuguese, Russian, Serbo-Croatian, Spanish, Swedish | |
Land: | United Nations | |
Publikationsjahr: | 1995 | |
Änderungsdatum: | 200804 | |
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